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Unertrunken

Was ich als Schwarze Feministin von Meeressäugetieren lernte

Erschienen am 10.11.2022
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783311350071
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Format (T/L/B): 2 x 21 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Das Gewässer, in dem das Ertrinken droht, ist der Atlantik, über den Millionen versklavter Afrikaner*innen nach Nordamerika verschleppt wurden. Und es ist das Erbe dieser kollektiven Erfahrung. Alexis Pauline Gumbs spricht von denjenigen, die ertranken - buchstäblich und metaphorisch -, denjenigen, die sagten 'I can't breathe', und denjenigen, die trotz allem weiteratmeten. Auch heute weiteratmen, nichtertrinken. Sie lädt dazu ein, eine neue Art des Atmens zu erlernen. Als Mentor*innen stellt sie uns Wale, Delfine, Robben, Walrosse und Seekühe vor. Denn wer könnte mehr über das Nichtertrinken wissen? In neunzehn Lektionen verwebt Alexis Pauline Gumbs auf poetische Weise naturwissenschaftliche Beobachtungen mit Ansätzen und Erkenntnissen des Black Feminism. Sie fragt sich, wie die Echoortung unser Verständnis von visionärem Handeln beeinflussen kann, und betrachtet die Methoden, mit denen sich Menschen und Meeressäuger zunehmend bedrohlichen Umständen anpassen - oder anpassen könnten. Leiten lässt sich Gumbs von der Liebe und der Bewunderung für unsere aquatischen Verwandten, die es ihr erlauben, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und von ihnen zu lernen.

Autorenportrait

DIANA EJAITA, geboren 1985, hat die Illustration für das Cover von Unertrunken gestaltet. Sie ist Textildesignerin und Künstlerin und lebt in Berlin und Lagos, Nigeria. Sie arbeitet als Illustratorin für Zeitungen und Magazine wie die New York Times, hat einige Cover für den New Yorker gestaltet und liebt es, für inspirierende Männer und Frauen, die jeden Tag einen kleinen Tropfen Schönheit in unsere Welt bringen, zu zeichnen.

Leseprobe

'Es geht mir darum, zuzuhören und Verantwortung für meine Frequenzen zu übernehmen.' 'Ein Weddellrobbenjunges kennt seine Flossen noch nicht. Es ist ungelenk. Es will nicht schwimmen. Es weiß nicht, dass es unter Wasser atmen kann. Niemand hat ihm von der enormen Sauerstoffspeicherkapazität seines Bluts erzählt. Es weiß nicht, dass die Milch, die ihm seine Mutter gibt, eine der fettreichsten Milchen der Welt ist. Südlichstes Säugetier der Erde, es weiß nichts von den Tiefen, zu denen es fähig ist. Doch seine Mutter weiß. Die Weddellrobbenmutter schiebt ihr Mädchen gegen ihren Willen ins Wasser. Sie zwingt den Kopf ihres Kinds unter Wasser, während das Jungtier keucht und prustet, sich windet und krümmt. Ihr Mädchen ist unerfahren. Sie weiß nicht, dass sie unter Wasser atmen kann. Bis sie weiß. Und damit ändert sich alles. Bis sie abgestillt ist, kann sie 600 Meter tief tauchen. Sich eine Stunde dort aufhalten, wenn sie will. Ein winziges Loch, das sie zum Luftholen gebohrt hat, wiederfinden, nachdem sie zwölf Kilometer weit geschwommen ist. Anmutig wechseln zwischen Eiswelt und Welt aus Flüssigkeit. Doch sie weiß nicht. Bin ich die Einzige hier in dieser Lektion, die keucht und prustet, zappelt, ringt, um die zu bleiben, die ich glaube zu sein, taub für das, was die Evolution mir schon eingeschrieben hat? Ich spüre Untiefen, doch woher soll ich wissen? Die strenge Liebe der Weddellrobbenmutter lehrt den Unterschied zwischen dem, was nett, und dem, was notwendig ist. Was war und was werden könnte. Und ich bin dankbar für all meine Mütter, biologische, gewählte und geerbte, säugetierische und andere (wie die Mokassinotter, die mich letzte Nacht gegrüßt hat), die mich ins Erkennen meiner Fähigkeiten stießen. Meinen Lungen mehr zu trauen, als ich für möglich hielt. Auf eine Art zu atmen, wie ich noch nie geatmet habe. Mein Blut auf Arten zu erfahren, die mir unbekannt waren. Bis die Weddellrobbe ausgewachsen ist, wird sie ihr Fell verlieren, glatt werden. Sie wird sich im Meer, das sie mied, ganz zu Hause fühlen. Sie wird Dinge sehen und empfinden, die kein anderes Säugetier empfunden hat. Jetzt keucht sie noch und prustet, klammert sich an das, was sie kannte. Es fühlt sich wie Ertrinken an, doch begegnet sie sich nur erneut zum ersten Mal. All meinen Eltern und dem Schubs des Universums, als es über mich lachte, Herzensdank. Dank all denen von euch, die schon durch Pforten gestoßen sind, auch aus diesem Leben heraus. Wir können uns zwischen Welten bewegen. Dank all denen von euch, die am Leben sind und evolvieren, die Verletzlichkeit eures Neuseins ist uns Vorbild. Dank all jenen, die auf meine Verantwortung pochen, die von mir erwarten, die zu werden, die zu werden notwendig ist. Danke dafür, die Lügen zu ignorieren, die ich mir über mich selbst erzähle. Noch in meinem Trotz bin ich dankbar für euch. Für die Liebe, die ihr mich lehrt, tief, Schwarz und umfassend. Für Hege, Anstoß und Vorbild. Was ihr angesichts eures Todes gelernt habt. Was ihr in eurem Ertrinken gelernt habt, ist mein Atem.'